Rammelsberg // 01

Gesamtansicht der Tagesanlagen des Erzbergwerks Rammelsberg 1953 / 2020. Die Tagesanlagen wurden in einem umfangreichen Modernisierungsprozess zwischen 1935 und 1939 im Rahmen der nationalsozialistischen Autarkiepolitik neu gebaut.

Der Fabrikbau vor dem Ersten Weltkrieg war überwiegend eine Kompromisslösung, bei der sich hinter historistischen Fassaden große Areale reiner Zweckbauten ausdehnten. Die Konstruktionen der Bauingenieure folgten hinter den Fassaden den Gesetzen der Statik und den Geboten der Sparsamkeit und erreichten dadurch wichtige Schritte der späteren Architektur der Moderne.

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts sind neben den Ingenieuren aber immer häufiger auch Architekten an der Planung von Industrieanlagen beteiligt. Einige der Architekten fordern wie Johannes Erberich eine gewisse Systematik im Aufbau von Industrie- und insbesondere Bergwerksanlagen. Die Ordnung der Gebäude sollte ihrer Proportionierung dienen, eine Forderung die der Bauhausgründer Walter Gropius später als fundamentalste Aufgabe der Baukunst betrachtete und populär machte.

Zudem sollten Industriegebäude von innen aus dem Grundriss heraus entwickelt werden. Mit dieser Vorgehensweise war der Wunsch verbunden, dass die Funktion des Gebäudes im Innern von außen abgelesen werden konnte und eine gute Proportionierung der Baumassen in einer gewissen Ordnung vorhanden war.

1934/35

Gesamtansicht Erzbergwerk Rammelsberg mit alten Tagesanlagen, ca. 1934/35. Die Terrassen für den Aufbau der neuen Gebäude der Erzaufbereitung sind schon in den Hang des Rammelsbergs gesprengt.

Die Industriearchitekten Fritz Schupp (1896 – 1974) und Martin Kremmer (1894 – 1945), die zwischen 1935 und 1939 die Tagesanlagen des Erzbergwerks Rammelsberg fast komplett neu gestaltet haben, orientierten sich an diesen Grundsätzen. Für sie sollten Industrieanlagen darüber hinaus  ein Teil des Stadtbildes, der Landschaft und der sie umgebenden Umwelt sein.

 

Als sie ab Mitte der 1930er Jahre mit dem Umbau der Tagesanlagen begannen, errichteten sie im Bestand der alten Bergwerksanlage am Hang des Rammelsbergs ein modernes Stahlbeton- bzw. Stahlfachwerkgebäude für die Erzaufbereitungsanlage.

 

1935

Gesamtansicht Erzbergwerk Rammelsberg, Anfang 1935. Die ersten Bauarbeiten an den Gebäuden der Erzaufbereitung laufen.

Symmetrie und Achse bestimmten das neue Architekturkonzept. Die Erzaufbereitungsanlage wurde entsprechend ihrer Bedeutung für das Betriebsergebnis in den Mittelpunkt der Gesamtanlage gerückt. Ihr vorgelagert und symmetrisch auf sie ausgerichtet wurde ein Vorplatz angelegt, der auch als Aufmarschplatz dienen konnte. Die Anlage dieses Ehrenhofes war ein Stilelement welches bereits Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt und später von den nationalsozialistischen Machthabern in den 1930er Jahren weiterverwendet wurde. Sie nutzten solche Ehrenhöfe als Aufmarschplätze bei Betriebsapellen.

Im gleichen Abstand von der Mittelachse des Platzes und des Aufbereitungsgebäudes rahmen auf der Nord- und der Südseite die Magazin- bzw. Verwaltungsgebäude den Vorplatz ein.

1938

Gesamtansicht Erzbergwerk Rammelsberg , um 1938. Die Gebäude der Aufbereitungsanlage sind bereits fertiggestellt. Das Magazingebäude (linke Bildhälfte) und das Verwaltungsgebäude mit Lohnhalle und Waschkaue sind noch im Bau.