Rammelsberg // 04

Blick von Nordwesten auf die Gebäude der Erzaufbereitungsanlage und den Fußpunkt der Schrägförderanlage (im Bild links), 1953 / 2020.

Für Fritz Schupp und Martin Kremmer war Industriearchitektur nichts anderes, als „die Umhüllung einer weitgehend stützenfreien Arbeitsfläche mit einer leichten Schale, die jederzeit an wechselnde Betriebsbedingungen angepaßt werden konnte. Diese Hülle, die wie „eine Schachtel über den Inhalt, die betriebliche Einrichtung, gestülpt“ wird, wurde für sie gleichsam zum gestalterischen Prinzip, zum formalen Mittel in Abhängigkeit von der Funktion. „Der Zweck, rücksichtslos anerkannt und erfaßt, sinngemäß durchgebildet, führt somit zur Architektur, zu einer neuen Architektur, die ihre eigenen Gesetze hat.“[1] Die Stahlfachwerkkonstruktion der Gebäude machte es nur schwer möglich, den ähnlich aussehenden Gebäuden eine Funktion zuzuschreiben. Aber Schupp / Kremmer begriffen ihre Anlagen als Gesamtheit, bei der nicht der Einzelbau, sondern „im Rhythmus der Baukörper und Baumassen der Rhythmus der Funktionen zum Ausdruck kommen soll.“[2] In der „Verarbeitung von modernen und traditionellen Einflüssen und dem daraus entstehenden, in dieser Form neuen und einzigartigen Ergebnis lag das Erfolgsrezept der Architekten, die nach eigener Aussage in einer `Zusammenstellung von neu und alt, von Eigenem und Tradition die Richtung des Kommenden´  sahen.“[3]

 

[1]  Fritz Schupp, Martin Kremmer: Architekt gegen oder und Ingenieur, Berlin 1929, S. 22.
[2] Kristina Pegels-Hellwig: Bauten für die Industrie. Der zeichnerische Nachlass der Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer 1921 – 1971, Bochum 2012,S. 94.
[3] Dies., S. 95.

1935/36

Die Gebäude der Erzaufbereitung am Rammelsberg werden in Stahlfachwerkbauweise ausgeführt.

Zwischen 1921 und 1928 hatten Fritz Schupp und Martin Kremmer noch eine Periode, in der sie in reiner Ziegelbauweise arbeiteten. Bei der Schachtanlage Zollverein entwickelten sie mit der in Frankreich zuerst vorgestellten Stahlfachwerkarchitektur ein eigenständiges Ausdrucksmittel der klassischen Moderne und eine wichtige Variante der Bauhaus-Architektur. Stahlfachwerk passte hervorragend zu den Anforderungen der Industrie und besonders des Bergbaus, war schnell zu montieren, gut zu erweitern oder zu verändern, reagierte flexibel auf Erschütterungen und ließ sich bei Bedarf auch schnell wieder demontieren. Es entsprach gestalterisch mit den sichtbaren Stahlprofilen in der Fassade der Ideenwelt des Konstruktivismus und ließ sich zu eindrucksvollen, kubisch geformten Baumassenkompositionen ausbilden.[4]

Die Trennung in tragende Stahlrahmen und vorgehängte Fassade war im Bergbau schon lange bekannt, wurde von Schupp / Kremmer aber in einer bisher nicht gekannten Konsequenz eingesetzt.

[4] Walter Buschmann: Bauhausmoderne und Industriebau. In: Industriekultur 3.18, S. 12 – 13, S. 13. 

1936

Blick von Norden auf der Werkstrasse unterhalb der Schrägförderanlage auf die Baustelle am Hang des Rammelsberg. Die Ausmauerung der Stahlfachwerkwände ist gut zu erkennen.

Die südlich an die Gebäude der Erzaufbereitungsanlage angesetzte Schrägförderanlage diente dem Materialtransport vom Niveau der Werkstrasse den Hang hinauf. Die Schrägförderanlage grenzte die moderne Architektur der Aufbereitungsanlage gegenüber der traditionellen Architektur der Kraftzentrale ab.

1936

Blick auf die Schrägförderanlage und die in Bau befindlichen unteren Gebäudeteile der Erzaufbereitung

Ab 2010 wurde die Schrägförderanlage komplett saniert und ist seit 2014 für den Besucherbetrieb geöffnet.

 

2013

Abriss der Betontrageplatte im Zuge der Sanierungsarbeiten an der Schrägförderanlage.